Sternwarte
Den Himmel offen halten -
Überlegungen zur Reaktivierung der Petriner Sternwarte
Warum das Petrinum eine Sternwarte hat
Für die Reaktivierung der Sternwarte gibt es mehrere Gründe: praktische, schulspezifische und bildungspolitische. Spätestens 2005 war allen, die Verantwortung für das Petrinum tragen, klar, dass das Dach, die Kuppel, die Aussichtsplattform des Turms und zumindest die Südfassade des Innenhofes samt Verblechungen zu sanieren sind und ein weiterer Aufschub Schaden für die historische Bausubstanz brächte.
Die Schule stand vor der Aufgabe, nur die Außenhaut abdichten zu lassen oder mit der Sanierung auch ein inhaltliches Konzept zu verknüpfen. Von Beginn an haben wir von Schulseite nach Wegen gesucht, in Fortführung der Intention der Stifter des Petrinums die Sternwarte wieder zu reaktivieren.
Vielfältige Unterstützung
Erst die positive Grundhaltung der Diözesanverantwortlichen, die Zusage des Absolventenverbandes, die Finanzierung des Teleskops zu übernehmen, die Förderungen des Landes Oberösterreich und der Stadt Linz und das große Interesse und die Bereitschaft der Kolleginnen und Kollegen, die Sternwarte im Unterricht zu nützen, haben konkrete Planungsschritte möglich und sinnvoll gemacht.
Die „alte“ Sternwarte
Der Originalplan sieht für das Petrinum an der Stelle des heutigen Observatoriums noch einen Kirchturm vor. Aus Kostengründen entschloss man sich dann aber – einem Rat des damaligen Biologieprofessors Bauernberger folgend –, eine astronomische Kuppel zu bauen. Die Holzbauweise erwies sich wegen der bald auftretenden Verwerfungen allerdings als Fehlgriff. Die Beweglichkeit der Kuppel war schon nach wenigen Jahren nicht mehr gegeben und so mussten die astronomischen Beobachtungen eingestellt werden.
Wenn auch finanzielle Überlegungen das Hauptmotiv für die Umplanung gewesen sein mögen, es ist dennoch bemerkenswert, dass in einer Zeit, in der das Verhältnis von Glaube und Naturwissenschaft vielfach spannungsgeladen und konfliktträchtig war, auch in einem Haus, das junge Männer auf den Priesterberuf vorbereiten sollte, den Naturwissenschaften im wahrsten Sinne des Wortes weithin sichtbar ein so hoher Stellenwert eingeräumt wurde. Wir sehen es auch heute als besondere Herausforderung, unter geänderten Rahmenbedingungen die Frage nach dem Verhältnis von modernen wissenschaftlichen Erkenntnissen, Philosophie und Weltanschauung wieder neu zu stellen.
Die Sternwarte im Dienste des Schulprofils
Die Sternwarte bietet die einmalige Chance, unser Schulprofil zu schärfen. Mit der Sternwarte versuchen wir auch eine Übersetzung und Konkretisierung des Begriffes Allgemeinbildung. Diese umfasst neben einer fundierten Sprachausbildung eine ausgewogene Positionierung der Geistes- und Naturwissenschaft sowie eine künstlerische und weltanschauliche Orientierung. Für alle Bereiche bietet die Sternwarte Ansatzpunkte. Von den Keplerschen Gesetzen bis hin zur Malerei Van Goghs und zur Kepler-Oper von Philp Glass, von den antiken Sternenbildern bis zur Frage von Paralleluniversen und religiös-philosophischen Reflexionen. Die Vernetzung der Wissensgebiete – um es modern zu formulieren – ist uns dabei ein wesentliches Anliegen.
Die Sternwarte als bildungspolitisches Signal
Nicht zuletzt verstehen wir die Reaktivierung der Sternwarte aber auch als bescheidenen Kontrapunkt zum derzeitigen bildungspolitischen Mainstream. Die Bildungsdiskussion unserer Tage erschöpft sich fataler Weise nicht selten in organisatorischen und strukturellen Fragen, die Inhalte, die es jungen Menschen zu vermitteln gilt, spielen – wenn überhaupt – nur eine untergeordnete Rolle. Die Themen Gesamtschule und Zentralmatura sind so dominant, dass die Frage, was denn nun gelehrt und vermittelt werden soll, fast völlig aus dem Gesichtskreis verschwindet. Der Verweis auf die zu erwerbenden Kompetenzen löst das Problem nur sehr vordergründig, weil sich ohne entsprechende Inhalte auch keine Kompetenzen vermitteln lassen. Das Lesen und Verstehen lernt man – um nur ein banales Beispiel zu nennen – nun einmal nicht abstrakt, sondern immer in der Auseinandersetzung mit einem konkreten Text.
Mit der Sternwarte formulieren wir zeichenhaft eine inhaltliche Gegenposition zum laufenden Bildungsdiskurs. Ohne Didaktik und Methodik gering zu achten, stellen wir die Inhalte in den Mittelpunkt unserer Überlegungen und definieren drei unverzichtbare Bereiche für das, was Allgemeinbildung unserem Verständnis nach bedeutet: Sie schließt die naturwissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit ebenso ein wie die auf diesen Erkenntnissen aufbauende philosophische und theologische Reflexion des Weltbildes und die künstlerische Gestaltung und Durchdringung der Welt. Die Auseinandersetzung mit den Tatsachen, ihre systematische Reflexion und Interpretation ist hier zu nennen, aber auch die Frage, was das alles für mich, mein Leben und meinen Lebenssinn bedeutet. Es wäre fatal, die Naturwissenschaft nicht auch mit weltanschaulichen Fragestellungen zu verschränken. Dass der Dialog nicht immer leicht und nicht frei von Vorurteilen ist, hat die Vergangenheit gezeigt, ändert aber nichts an dessen Bedeutung.
Die Sternwarte als Zeichen für unsere Grenzen
Wir haben uns also viel vorgenommen. Den Schülerinnen und Schülern eine möglichst umfassende Allgemeinbildung zu vermitteln, die mit Herzensbildung verknüpft ist und zudem weltanschaulich reflektiert und verankert ist, das ist unser Ziel. Der gebildete Mensch weiß immer auch um seine Grenzen, die Begrenztheit der eigenen Möglichkeiten und die Begrenztheit der eigenen Wahrnehmung. Diese Erfahrung kann Toleranz lehren. Gebildete Menschen sind immer auch bescheidene Menschen. Das darf nicht als Kleinmachen oder mangelndes Selbstbewusstsein missverstanden werden, sondern drückt nur die Überzeugung aus, dass wir nicht alles erfassen und erklären können. Wir sind gut beraten, in einem umfassenderen, beinahe metaphorischen und metaphysischen Sinn den Himmel offen zu halten, für Unbekanntes, für Neues, nicht zuletzt auch für Transzendenz.
Franz Asanger